Post by fugees-online on Jun 17, 2005 21:53:09 GMT 1
Lauryn Hill:
Doch eine Fata Morgana?
CHRISTINA BÖCK (Schaufenster) 16.06.2005
Die Hiphop-Diva war über Jahre in der Versenkung verschwunden. Nun kehrt sie zurück – ausgerechnet ins niederösterreichische Pielachtal.
Die Pop-Geschichte kann einem schon hart mitspielen. Heutzutage flattern sie leichtfertig durch die Charts – die „Prinzessinnen der Black Music“. Beyoncé Knowles ist zum Beispiel eine von ihnen, die Sängerin der Gruppe „Destiny’s Child“. Ashanti, Alicia Keys, Ludacris – wie sie alle heißen. Die richtigen Eintagsfliegen gar nicht eingerechnet. Jene „Prinzessinnen“, bei denen die schmucke Form ihrer Ohr-Creolen eigentlich mehr Anhänger findet als ihre Musik. Die letzte „Königin“ aber, die haben die meisten Beyoncé-Fans wahrscheinlich noch nicht einmal erlebt. Die „Queen of Hiphop“ hatte ihren großen Durchbruch 1998. Es ist nämlich tatsächlich auch schon wieder sieben Jahre her, dass Lauryn Hill mit ihrem Solo-Album „The Miseducation of Lauryn Hill“ einen riesigen Erfolg feierte. Und ein musikalisches Randgenre wie Hiphop mit einem Schlag in den Mittelpunkt des Interesses rückte. Und dafür war noch dazu eine Frau verantwortlich.
„Engelsstimme“, „Ausnahmetalent“, „Offenbarung“ wurden zu völlig unironisch gebrauchten Attributen in Berichten über sie – und es ist alles andere als üblich, dass sich Popkritiker zu solch unverhohlener Begeisterung versteigen. Alles sah danach aus, als hätte Lauryn Hill eine grandiose Karriere vor sich. Das Musikmagazin „Rolling Stone“ zitierte wehmütige Freunde: „Sie hätte eine Jennifer Lopez mit politischer Substanz werden können.“ Aber es passierte: nichts. Stattdessen verschwand Hill einfach.
Wie konnte es passieren, dass ein junges, viel versprechendes Talent – Hill war damals 23 Jahre alt – die Gesetze des Pop-Business so fahrlässig ignorierte? Die da lauten: Produziere so viel wie möglich, so lange du heiße Ware bist. Denn das mit der heißen Ware, das ändert sich bekanntermaßen schneller, als Madonna oder ihr Möchtegern-Epigone Britney Spears ihre Images wechseln können. Alle, die Hill mit ihrer erfrischend unoberflächlichen Musik berührt hatte, hätten aber aufmerken müssen: Als sie schwanger wurde und mittels CD allen, die sie beschworen, sich zwischen Kind und Karriere zu entscheiden, ausrichten ließ: sicher nicht. Da hätte man schon sehen können, dass sich diese Frau nicht leicht damit tat, sich in die Pop-Maschinerie einzugliedern.
Neue Hiphop-Ära. Lauryn Hill spukte erst noch als Produzentin einiger Freunde wie Mary J. Blige herum. Dann verschwand sie endgültig in der Versenkung. Gerüchteweise wurde ihr die Rolle in „Charlie’s Angels“ angeboten, mit der dann Lucy Liu berühmt wurde. Auch für die „Matrix“-Trilogie war sie im Gespräch. Aber Lauryn Hill war weg, zerrann als ehemalige Lichtgestalt einfach zwischen den Fingern.
Insider suchten den Grund nicht zuletzt in ihrer Vorgeschichte. Die „Fugees“ waren schuld. Oder zumindest Wyclef Jean. Zusammen mit ihm und Pras Michael bildete Hill das erfolgreichste Hiphop-Trio der Neunziger. 1996 schafften sie mit „The Score“ einen kommerziellen Höhepunkt des Hiphop-Genres, läuteten damit eine neue Ära ein. Mit dem Roberta-Flack-Cover „Killing me softly“ wurde Hills rauchige Soulstimme berühmt. Als Mastermind der Gruppe wurde Wyclef Jean gefeiert. Hill galt als extrem loyal: Als Pepsi sie als Werbeträger wollte,sagte sie ab, weil sie es nicht allein machen würde. Aber das Bedürfnis, nicht nur als Jeans Pin-Up zu gelten, war zu stark. Sie wollte sich mit einem Solo-Album beweisen. Dass die beiden Kollegen sie nicht unterstützten, führte zum Bruch. Mit ihrer abschätzigen Meinung über den Größenwahn des einen oder anderen hielt sie auf „The Miseducation“ nicht hinterm Berg.
Von der Öffentlichkeit nach dem Hype um sie weitgehend unbemerkt, hatte ihre Platte aber ein Nachspiel vor Gericht. Sie hatte alle Songs bis auf einen sich selbst zugeschrieben. Vier Produzenten klagten. Hill soll ihnen angeblich fünf Millionen Dollar gezahlt haben. Ein herber Schlag für jemanden, der seine Selbstständigkeit beweisen wollte. Vier Jahre lang war es dann beinahe unheimlich ruhig um die Frau, die die neue Soul-Diva hätte werden sollen. Vereinzelt erfuhr man, dass sie wieder ein Kind geboren habe. Hill hat heute vier Kinder.
Dann plötzlich im Jahr 2002: Eine neue CD. „MTV Unplugged No. 2.0“ hieß sie – und sie war völlig anders, als alle erwartet hatten. Hill begleitete sich selbst auf der akustischen Gitarre und sang heiser davon, wie sich ihr Leben in eines verwandelt hatte, das sie nicht wollte. Immer wieder brach sie in Tränen aus und bekannte: „Ich bin zerstört und emotional unstabil“ – alles dokumentiert auf einem Doppelalbum.
Ein Guru, ein Flop. Falls ihr ihre schonungslose Ehrlichkeit über sich selbst doch peinlich geworden ist – immerhin haben „Unplugged 2.0“ nicht viele Menschen im Regal stehen: Die Platte floppte gnadenlos. Die Schuld an der öffentlichen Katharsis gaben Insider diesmal einem mysteriösen Guru, dem Hill in die Falle gegangen sein soll. Ein Mönch namens Bruder Anthony, über dessen Religion nicht viel bekannt ist, habe ihr Gehirn gewaschen. Er habe leichtes Spiel gehabt, weil Hill gerade erfahren hatte, dass ihr Mann, Bob-Marley-Sohn Rohan, bereits mit einer anderen Frau verheiratet war und sie deshalb dementsprechend anfällig war.
Medien mussten erkennen, dass die Sängerin tatsächlich ein wenig wunderlich wurde: Verlangte sie doch für Interviews Spesen von 10.000 Dollar. Ein richtiger Star ist man erst, wenn Legenden über einen erzählt werden – das hat Lauryn Hill jedenfalls geschafft. Seit zwei Jahren geistern Meldungen, dass sie eine neue Platte herausbringen wird, durch die Medien. Heuer dürfte es so weit sein. Ihre Plattenfirma Sony weiß offiziell von nichts. Dort geht man so weit, sich zu fragen, was Hill beim Nuke-Festival im Pielachtal in Niederösterreich „eigentlich soll“. Man scheint zu übersehen, dass es 2004 in New York völlig überraschend zu einer Wiedervereinigung der „Fugees“ auf der Bühne kam. Da hatten viele Lauryn Hill vielleicht auch für eine Fata Morgana gehalten.
Im Internet kursiert „Khulami Phase“ als Titel der neuen CD. Khulami heißt ein Dorf im Irak – man darf also politische Spitzen und somit Substanz erwarten. Und nicht zuletzt das ist es, was „Königin“ Lauryn Hill von den „Prinzessinnen“ unterscheidet.
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